Schumacher & Jonas

 

 

Die hier skizzierte Idee "Schmücken" wird wegen der Bundestagswahl im September 2005 nicht realisiert. Umgesetzt wird stattdessen eine modifizierte Variante der Grundidee mit dem Titel → "Stadttor".

 

 

Birgit Schumacher

Uwe Jonas

Birgit Schumacher
(geb. 1961)
Uwe Jonas
(geb. 1962)

leben in Berlin
Schmücken

Wir werden mit allen Mitteln ein kurzes Stück der Karl-Marx-Straße (zwischen U/S-Bahnhof Neukölln und U-Bahnhof Grenzallee) für ein paar Tage verschönern.

Ausgangspunkt unseres Projektes sind Diskussionen über die sogenannte Festivalisierung der Städte und in diesem Zusammenhang die Angst der Instrumentalisierung der Künste als Beiwerk einer Inszenierung zum Zweck des Stadtmarketings und der allgemeinen Belustigung der Konsumenten. Diese heutzutage unter dem Begriff 'Event(-city)' zusammengeführten Aktivitäten, die zur besseren Verortung plakativ auch als 'Brot und Spiele' bezeichnet werden könnten, werden wir mit Erfahrungen aus anderen Ländern spiegeln.

Ein Ereignis Ende der 1980'er Jahre ist uns in diesem Zusammenhang in besonderer Erinnerung geblieben und dient auch als Vorlage unserer Idee:
Während einer 5-wöchigen Ägypten-Reise hielten wir uns in Abständen von jeweils ca. 2 Wochen drei mal in Kairo auf, beim ersten mal fanden wir weit chaotischere Zustände vor als normalerweise zu erwarten waren, da es auf einigen wichtigen Straßen und Plätzen schwer passierbare Baustellen gab. Zwei Wochen später hatte sich die Zahl der Baustellen bereits merklich verringert, und Maßnahmen zur Verschönerung zentraler Plätze (vor allem auf dem 'Befreiungsplatz', dem 'Midan el-Tahrir') und in Teilbereichen wichtiger Magistralen wurden sichtbar. Diese Maßnahmen umfassten teilweise sogar den Neuanstrich einiger Fassaden, aber vor allem wurden dekorative Pflanzen (meist Palmen) aufgestellt, bestimmte Bereiche der Plätze mit grüner Farbe gestrichen und die Fahrbahnbegrenzung in rot-weiss markiert. Ohne zu wissen was dort geschah, verwunderte der offensichtlich provisorische Charakter der Maßnahmen. Unser letzter Aufenthalt in Kairo brachte die Aufklärung: Aus den Zeitungen erfuhren wir, dass wenige Tage zuvor - unter Teilnahme einiger wichtiger Politiker aus dem Ausland - der erste Abschnitt der Kairoer U-Bahn eingeweiht worden war. Die Plätze und Straßen, wo noch vor zwei Wochen so eifrig an einem schönen Eindruck gearbeitet worden war, boten nun wieder ein fast gewohntes Bild: Die großen Topfpflanzen hatte man schon wieder abtransportiert, die kleineren Pflanzen waren in der Sonne ohne Pflege zurückgelassen und verdorrt - nur die grünen, roten und weißen Anstriche strahlten immer noch.
Die Herstellung einer Kulisse im Stadtraum für einen meist nur wenige Stunden dauernden Staatsbesuch dient dem austragenden Staat, sich seinen Gästen in einem guten Licht zu präsentieren, nicht zuletzt, um den Fernsehbildern einen schönen Hintergrund zu liefern. Dieses Phänomen ist weltweit in unterschiedlichen Ausprägungen zu beobachten. Es kann soweit führen, dass nicht mehr nur am Image gegenüber dem Ausland gefeilt werden soll, sondern den eigenen Staatsoberhäuptern - seien es Tyrannen, Könige oder Präsidenten - eine heile Welt vorgespielt wird.
Dieser 'Vorspiegelung einer falschen Tatsache' nehmen wir uns in einem doppelten Sinne an. Denn es gibt keinen ersichtlichen Anlass für unser Schmücken, weder eine U-Bahn-Einweihung, eine Autobahn-Eröffnung, noch einen Staatsbesuch.

 

 


 

 

Schmücken

Kairo: Befreiungsplatz mit Außenministerium (Postkarte)

 

 

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